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Das Grundgesetz wird 75 Jahre alt. Zu diesem Anlass sollen einige Vorgaben des Art. 33 GG vorgestellt und der Status der politischen Beamtinnen und Beamten in Niedersachsen beleuchtet werden. Außerdem soll dies zum Anlass genommen werden, darzulegen, weshalb die Regelungen im Niedersächsischen Beamtengesetz (NBG) zu den politischen Beamtinnen und Beamten ein „rechtliches Einfallstor“ enthalten, das missbraucht werden könnte. Diese Schwachstelle sowie Vorschläge für einen „resilienteren“ Rechtsstaat sollen im Rahmen dieses Beitrags aufgezeigt werden.

 

1. Art. 33 GG als Ausgangsnorm für den öffentlichen Dienst in Bund und Ländern

 

Seit dem 23. Mai 1949 bildet das Grundgesetz das Fundament unseres Zusammenlebens in einem freien und demokratischen Rechtsstaat. Mit dem Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober 1990 traten die neugegründeten Länder dem Geltungsbereich des Grundgesetzes nach Art. 23 GG bei. Neben dem prägenden Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) – „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ – findet sich in Art. 33 GG die Basisnorm für den öffentlichen Dienst in Bund und Ländern:

 

Art. 33 GG

 (1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem  religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnis oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

 

Zwischen dem Berufsbeamtentum und dem freiheitlichen Verfassungsstaat besteht ein Entstehungszusammenhang. So gehören die Grundsätze des Berufsbeamtentums zum Identitätskern des demokratischen Rechtsstaats (Di Fabio, Das beamtenrechtliche Streikverbot, 2012, 45, 67). Das Berufsbeamtentum steht im Einklang mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und sichert diesen personell ab. Während die Absätze 1 bis 3 des Art. 33 GG vor allem Gleichheitsfragen, insbesondere den Zugang zum öffentlichen Dienst normieren, regeln die Absätze 4 und 5 die wesentlichen Grundstrukturen des öffentlichen Dienstes. Der Zugang zum öffentlichen Amt basiert auf demokratischer Gleichheit und schließt eine Ungleichbehandlung aus religiös-weltanschaulichen Gründen aus. Die ersten drei Absätze von Art. 33 GG sind somit Ausdruck einer privilegienfeindlichen Demokratie (AK-GG/Trute Abs. 1–3 Rn. 2 aE).

Die Ausübung hoheitlicher Befugnisse im demokratischen Verfassungsstaat unterfällt einem Funktionsvorbehalt öffentlicher Amtsträgerinnen und Amtsträger. Dabei ist das öffentliche Dienstrecht durch die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums normativ vorgeprägt (vgl. Art. 33 Abs. 5 GG). Die Sicherstellung einer neutralen und unabhängigen Verwaltung fordert Strukturentscheidungen des Beamtenrechts (Schwarz DÖV 2021, 1045 ff.). Seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 wird dem Gesetzgeber in Bezug auf das öffentliche Dienstrecht ein entsprechender Fortentwicklungsauftrag verfassungsrechtlich auferlegt. Die Diskussion über Dynamik und Stabilität des Berufsbeamtentums, über Grund und Grenzen seines Wandels wird durch diese Klausel „auf Dauer“ gestellt (vgl. Schuppert FS Battis, 2014, 520 ff.; Bull FS Battis, 2014, 533 ff.; BeckOK GG/Hense, 57. Ed. 15.1.2024, GG Art. 33).  Es helfen möglichst resiliente Institutionen, eine wehrhafte Demokratie zu bewahren und Angriffe auf Demokratie und Rechtsstaat abzuwehren.

 

2. Die Sonderstellung der politischen Beamtinnen und Beamten

 

Eine Sonderstellung nehmen die sog. politischen Beamtinnen und Beamten ein. Sie kommunizieren einerseits mit den Behörden und treten andererseits als Mittler zwischen dem politischen Willen der Regierung und der neutralen Verwaltung auf. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts sind politische Beamtinnen und Beamte nur für solche Posten gerechtfertigt, die auf besondere Weise eines politischen Vertrauens der Staatsführung bedürfen (BVerfG, Beschluss vom 28. Mai 2018 – 2 BvL 11/07).

 

a. 39 Abs. 1 NBG – ein „rechtliches Einfallstor“ für Missbrauch

 

Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 NBG sind politische Ämter im Sinne des 30 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG das Amt der Staatssekretärin und des Staatssekretärs (Nr. 1), die Sprecherin der Landesregierung und der Sprecher der Landesregierung (Nr. 2), die Landesbeauftragte für regionale Landesentwicklung und der Landesbeauftragte für regionale Landesentwicklung (Nr. 3), die Landespolizeipräsidentin oder der Landespolizeipräsident (Nr. 4) sowie die Verfassungsschutzpräsidentin oder der Verfassungsschutzpräsident (Nr. 5).

Die Regelung in § 39 Abs. 1 NBG enthält ein „rechtliches Einfallstor“. Dies ergibt sich aus Folgendem:

In § 39 Abs. 1 Satz 2 wird bestimmt, dass politische Beamtinnen und Beamte von der Landesregierung in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können. Die sachliche Zuständigkeit für einen solchen Akt wird somit der Landesregierung, welche aus der Ministerpräsidentin bzw. dem Ministerpräsidenten und den Ministerinnen und Ministern besteht, als Kollegialorgan übertragen (vgl. hierzu HK-NdsVerf/Epping NdsVerf Art. 28 Rn. 13 ff. insbesondere Rn. 15; BeckOK BeamtenR Nds/Brunner, 28. Ed. 1.4.2022, NBG § 39 Rn. 3). Politische Beamtinnen und Beamte können folglich jederzeit und ohne Angaben von Gründen in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. An deren Stelle könnte eine neue Regierung eine ihr politisch nahestehende Person ernennen, da die Auswahl gerade nicht in gleichem Maße wie bei regulären Beamtinnen und Beamten an das beamtenrechtliche Leistungsprinzip gebunden sein muss. Politische Beamtinnen und Beamte unterliegen auch nicht dem Lebenszeitprinzip nach Art. 33 Abs. 5 GG, das nicht nur Beamtinnen und Beamte vor Entlassungen oder Zurückstufungen schützt, sondern auch ihre politische Neutralität sichern soll.

 

b. Das Problem

 

Es stellt sich die Frage, ob in Deutschland eine an der Regierung beteiligte autoritär-populistische Partei die Besetzung wichtiger Behördenposten beeinflussen könnte. Ein geeignetes Instrumentarium könnte dabei der Austausch sog. politischer Beamtinnen und Beamten sein, zu denen nach § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und 5 NBG auch die Landespolizeipräsidentin bzw. der Landespolizeipräsident und die Verfassungsschutzpräsidentin und der Verfassungsschutzpräsident gehören.

In den Handlungsempfehlungen aus der Szenarioanalyse des Thüringen-Projekts wird folgendes Szenario beschrieben:

„Setzt die Regierung die Sicherheitsbehörden auf politische Gegnerinnen und Gegner an, kann das zuständige Innenministerium die Polizei anweisen, bei einer regimekritischen Person den Anfangsverdacht einer Straftat anzunehmen. Ebenso kann die Regierung den Verfassungsschutz anweisen, dass die Voraussetzungen für eine Beobachtung politischer Gegnerinnen und Gegner vorliegen. Sind diese Weisungen rechtswidrig, so ist es Aufgabe der jeweiligen Behördenleiterinnen bzw. Behördenleiter, der Ausführung zu widersprechen. Es ist zu befürchten, dass eine politisch besetzte Behördenleiterin bzw. ein politisch besetzter Behördenleiter dem nicht in vollem Umfang nachkommen wird, weil sie bzw. er ihre bzw. seine Abberufung fürchtet oder die Anweisung befürwortet.“ (Zitat: Beck/Jaschinski/Kordt/Müller-Elmau/Talg: Rechtsstaatliche Resilienz in Thüringen stärken. Handlungsempfehlungen aus der Szenarioanalyse des Thüringen-Projekt, VerfBlog, 17. April 2024, S. 22.)

In der Leitung von Polizei- und Verfassungsschutz kommt es daher auf eine strenge Gesetzestreue der Behörde und gerade nicht auf den politischen Willen der Regierung an (Steinbach 2018, S. 2). Vor dem Hintergrund der Möglichkeit tiefgreifender Grundrechtseingriffe durch die Sicherheitsbehörden ist es unabdingbar, dass das Gesetz von diesen neutral und gesetzestreu angewendet wird. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hält den politischen Beamtenstatus der Polizeipräsidentin und des Polizeipräsidenten für mit dem Lebenszeitprinzip des Grundgesetzes unvereinbar und hat die Frage dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt (die Entscheidung steht noch aus, Stand 6. Mai 2024; OVG NRW, Vorlagebeschluss vom 15. Dezember 2021 – 6 A 739/18).

 

c. Handlungsoptionen

 

Präsidentinnen bzw. Präsidenten der Landespolizei und des Verfassungsschutzes tragen eine besondere Verantwortung dafür, dass Maßnahmen nur unter den gesetzlich vorgesehenen Voraussetzungen ergriffen werden. Aus diesem Grund ist es unabdingbar, dass diese Ämter neutral besetzt werden. Dadurch wird zwar der personelle Gestaltungsspielraum der Regierung eingeengt, allerdings wird der Gefahr eines rechtsstaatlichen Vertrauensverlustes entgegengewirkt und der Eindruck verhindert, dass die Sicherheitsbehörden nach politischer Opportunität entscheiden und gerade nicht nach Recht und Gesetz.

In Thüringen wird derzeit ein entsprechender Gesetzentwurf im Innen- und Kommunalausschuss beraten, der die Streichung oben genannter Posten vorsieht (Drucksache 7/8656). Auch in Niedersachsen könnte im Wege einer Gesetzesänderung die Positionen aus der Liste der politischen Beamten und Beamtinnen in § 39 Abs. 1 Satz 1 NBG gestrichen werden. Mit dem Gesetzesentwurf der Niedersächsischen Landesregierung vom 18. April 2023, verkündet am 21. Juni 2023, wurden die in § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 NBG normierten Ämter der Polizeipräsidentinnen und Polizeipräsidenten bereits gestrichen (Drucksache 19/1173; GVBl. Nr. 11/2023, 110).

Es sollte erwogen werden, auch die in § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Nr. 5 NBG genannten Ämter ersatzlos zu streichen. Hierdurch könnte nicht nur ein „rechtliches Einfallstor“ für Missbrauch geschlossen, sondern auch die niedersächsische Rechts- und Verfassungsordnung vermutlich resilienter gegenüber autoritär-populistischen Strategien gestaltet werden.

 

Bitte beachten Sie, dass dieser Hinweis eine rechtliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen kann.

Für Rückfragen steht Ihnen unsere auf das Verwaltungsrecht spezialisierte Kanzlei gern zur Verfügung.

 

Ihre Ansprechpartnerin: 

Rechtsanwältin Dr. Cosima C. Klause

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