Die Besoldung der Beamtinnen und Beamten nach den §§ 27 und 28 BBesG a. F. war europarechtswidrig. Ob Beamtinnen und Beamten Ansprüche unter diesem Gesichtspunkt geltend machen können, war lange Zeit streitig. Das BVerwG hat in seiner Entscheidung vom 30. Oktober 2014 (2 C 6/13) nunmehr für Recht erkannt, dass Beamtinnen und Beamten in diesem Zusammenhang grundsätzlich ein Entschädigungsanspruch nach § 15 i. V. m. § 24 Nr. 1 AGG zustehen kann.
Nach §§ 27 und 28 BBesG a. F. bildet das in Abhängigkeit vom Lebensalter bestimmte Besoldungsdienstalter den Anknüpfungspunkt für die erstmalige Zuordnung zu einer Besoldungsstufe der Tabelle der Grundgehaltssätze. Dies führt nach der Rechtsprechung des EuGH zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 und 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. No-vember 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (- RL 2000/78/EG -, ABl L 303 S. 16) (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 Rs. C-501/12, Rn. 50 f.).
Ausgehend hiervon sprach das BVerwG im Urteil vom 30. Oktober 2014 (2 C 6/13) dem Kläger für den Zeitraum vom 18. August 2006 bis Ende März 2011 eine Entschädigung in Höhe von 5.550 € aus dem am 18. August 2006 in Kraft getretenen § 15 Abs. 2 AGG i. V. m. § 24 Nr. 1 AGG zu.
Im Urteil führt das Gericht zunächst aus, dass der Dienstherr nicht verpflichtet ist, dem Beamten nach § 15 Abs. 1 AGG Schadensersatz zu leisten. Nach dieser Vorschrift ist der Arbeitgeber bei einem von ihm zu vertretenden Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Das BVerwG ging jedoch davon aus, dass im Zeitraum vom 18. August 2006 bis Ende März 2011 der Beklagte den Verstoß der §§ 27 und 28 BBesG a.F. gegen § 7 Abs. 1 AGG nicht zu vertreten hat. Dies begründet das Gericht damit, dass die entscheidungserhebliche Rechtsfrage der Vereinbarkeit eines mit §§ 27 und 28 BBesG a.F. vergleichbaren Entlohnungssystems mit der RL 2000/78/EG erst durch das Urteil des EuGH vom 8. September 2011 (Rs. C-297/10 und C-298/10, Hennigs und Mai) geklärt worden ist. Bis zur Verkündung dieses Urteils war die Rechtsauffassung, §§ 27 und 28 BBesG a. F. seien nicht unionsrechtswidrig, nach Ansicht des BVerwG jedenfalls vertretbar, zumal noch in den Jahren 2010 und 2011 Verwaltungsgerichte wiederholt entschieden haben, dass durch §§ 27 und 28 BBesG a.F. keine Altersdiskriminierung entstehe.
Aufgrund von § 15 Abs. 2 i. V. m. § 24 Nr. 1 AGG wurde dem Kläger für den oben genannten Zeitraum ein Anspruch auf Entschädigung in Höhe von 100 Euro pro Monat zuerkannt. Nach § 15 Abs. 2 AGG i. V. m. § 24 Nr. 1 AGG kann der Beamte wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Der Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG setzt nicht den Nachweis eines konkreten immateriellen Schadens, d. h. die Feststellung von persönlich belastenden Folgen einer Benachteiligung, voraus. Vielmehr liegt ein solcher Schaden bereits im Falle einer ungerechtfertigten Benachteiligung aus einem der in § 1 AGG genannten Gründe vor. Den Pauschalbetrag in Höhe von 100 Euro pro Monat hielt das Gericht (in Anlehnung an die Entschädigung bei überlanger Verfahrensdauer nach § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG) für angemessen.
Nach § 15 Abs. 4 AGG ist eine Frist zur schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs zu beachten. Nach dem Satz 2 dieser Bestimmung beginnt die Frist zu dem Zeitpunkt, in dem von der Benachteiligung Kenntnis erlangt wurde. In diesem Zusammenhang stellt das BVerwG auf das Urteil des EuGH in Sachen Hennigs und Mai vom 8. September 2011 ab, durch welches die Rechtslage geklärt wurde. Weiter führt das Gericht aus, dass ausgehend von der Schutzfunktion des § 15 Abs. 4 AGG die Ansprüche nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG bei einer wiederkehrenden Benachteiligung nur einmal geltend gemacht werden müssen. Die Regelung der Ausschlussfrist sei abschließend. Hat der Beamte diese gesetzliche Frist gewahrt, findet der Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung von nicht unmittelbar durch Gesetz begründeten Ansprüchen keine Anwendung.
Außerdem haben Anspruchssteller die Verjährung im Blick zu behalten. Bei den monatsweise nach § 15 Abs. 2 AGG entstandenen Entschädigungsansprüchen beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss des jeweiligen Jahres (vgl. § 199 Abs. 1 BGB). Für das Jahr 2006 begann die Verjährungsfrist danach am 1. Januar 2007. Durch eine Klage wird die Verjährung des Anspruchs nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt.
In dem vom BVerwG entschiedenen Verfahren galt ab dem 1. April 2011 ein neues Besoldungsrecht des Landes Sachsen-Anhalt, welches mit den Vorgaben der RL 2000/78/EG in Einklang steht. Mangels eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG war damit auch der Anspruch aus § 15 Abs. 2 AGG ab diesem Zeitpunkt ausgeschlossen. Das neue Gesetz knüpft nicht mehr an das Lebensalter, sondern an die tatsächliche Berufserfahrung an. Ein so geregelter Aufstieg nach Erfahrungszeiten entspricht den Vorgaben der RL 2000/78/EG, da nach der Rechtsprechung des EuGH die tatsächlich abgeleistete Dienstzeit Anknüpfungspunkt einer besoldungsrechtlichen Differenzierung sein darf (EuGH, Urteil vom 3. Oktober 2006 - Rs. C-17/05, Cadman - Slg. 2006, I-9583 Rn. 34 ff.).
Werden hingegen durch ein Landesgesetz die §§ 27 und 28 BBesG a. F. für anwendbar erklärt, beispielsweise wie dies in Niedersachsen der Fall ist, können im Einzelfall Ansprüche möglicherweise auch für die Zeit nach dem Urteil des EuGH vom 8. September 2011 geltend gemacht werden. In diesem Zeitraum kommt sogar ein Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG in Betracht.
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